Erweiterung des Schutzumfangs EPA; Probleme und Lösung (2)
Erweiterung des Schutzumfangs im Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt EPA; Probleme und Lösung
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Teil 1: EPA Erweiterung des Schutzumfangs; Definition und Gründe
Wo liegt das Problem in der Erweiterung des Schutzumfangs?
Das Problem in der Erweiterung des Schutzumfangs liegt darin, dass im Herausnehmen eines Anspruchsmerkmals eine neue Kombination von Anspruchsmerkmalen geschaffen wird, die möglicherweise so nicht wörtlich ursprünglich offenbart war, was einen Zurückweisungsgrund nach Art. 123 (2) EPÜ auslösen kann. D.h., das Entfernen eines Anspruchsmerkmals und damit die Schaffung einer neuen Unterkombination von technischen Merkmalen kann als eine Anspruchsänderung gewertet werden, welche in ihrem Gegenstand “über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.“ Um wieder auf das obige Beispiel zurückzukommen, Entfernen des Anspruchsmerkmals B aus der ursprünglichen Merkmalskombination A + B + C erzeugt eine unterschiedliche Unterkombination A + C. Um eine solche unterschiedliche Unterkombination zu beanspruchen, benötigt man ursprüngliche Offenbarung in der Ursprungsfassung, beispielsweise ein beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung, welches Merkmal B nicht enthält. In anderen Worten, eine offenbarte Merkmalskombination offenbart nicht automatisch alle Unterkombinationen dieser offenbarten Merkmalskombination. D.h., eine Offenbarung der Merkmalskombination A + B + C offenbart nicht automatisch alle Unterkombinationen A + B, A + C und B+ C. International gesehen variieren die Standards beträchtlich, wie detailliert die ursprüngliche Offenbarung sein muss, um ein Anspruchsmerkmale zu entfernen, bzw. was als ursprüngliche Offenbarung gewertet wird. Hinsichtlich der Auslegung der ursprünglichen Offenbarung befindet sich das Europäische Patentamt EPA eher am restriktiveren Ende des Spektrums. Enthält ein ursprünglicher Patentanspruch beispielsweise die Merkmalskombination A + B + C, nimmt das Europäische Patentamt üblicherweise an, dass diese Merkmale nur in dieser Kombination ursprünglich offenbart sind. Um diese Annahme zu überwinden, erfordert das Europäische Patentamt üblicherweise die Offenbarung eines Ausführungsbeispiels der Erfindung, welches dieses Anspruchsmerkmale nicht enthält, oder verlangt andere Formen von Offenbarung, wonach auch Unterkombinationen ohne das zu entfernende Anspruchsmerkmal offenbart sind. Eine solche andere Offenbarung kann beispielsweise ausdrücklicher Wortlaut sein, wonach das zu entfernende Anspruchsmerkmale B ein wahlweises Merkmal ist und die Erfindung auch ohne dieses Anspruchsmerkmale B funktioniert.
Eine weitere zu überwindende Hürde hinsichtlich des Entfernens von Anspruchsmerkmale B ist, dass dieses nicht als wesentliches Anspruchsmerkmal gewertet wird. Gemäß den Prüfungsrichtlinien beim EPA, F-IV, Z. 4.5.2 , ist ein wesentliches Merkmal definiert als ein Merkmal, welches “zur Erzielung einer technischen Wirkung erforderlich sind, mit der die der Anmeldung zugrunde liegende technische Aufgabe gelöst wird (die Aufgabe wird in der Regel aus der Beschreibung hergeleitet).“ Das bedeutet, selbst wenn formal Offenbarung für ein Entfernen des Anspruchsmerkmals B in der wörtlichen Beschreibung zu finden ist, muss dennoch auch erfüllt sein, dass dieses Merkmal nicht als wesentliches Merkmal für das Lösen der technischen Aufgabe durch die Erfindung anzusehen ist, um dieses aus dem Anspruch entfernen zu können.
Warum haben insbesondere US Anmelder häufig Artikel 123(2) EPC Probleme?
Es gibt die verschiedensten Gründe, warum Anspruchsanforderungen und Anspruchsstrategien in USA nicht sehr gut in Einklang mit vielen anderen Ländern sind. Einer der Gründe ist, dass in USA unter bestimmten Voraussetzungen mehrere unabhängige Patentansprüche in der gleichen Anspruchskategorie zulässig sind. Weil weiter in USA eine Änderung des Patentanspruchs die Gefahr sich bringt, dass dem geänderten Anspruchsmerkmale ein breiterer Schutzumfang nach der Äquivalenzlehre aberkannt wird, welcher über den wörtlichen Schutzumfang hinausgeht, hat es in USA für den Schutzumfang Vorteile, ein Patent erteilt zu bekommen, bei welchem keine Anspruchsänderungen während des Prüfungsverfahrens vorgenommen wurden. Infolgedessen werden oft mehrere unabhängige Patentansprüche verfolgt, um einen oder mehrere davon ohne Anspruchsänderungen erteilt zu bekommen. Das hat wiederum zur Folge, dass mehrere unabhängige Ansprüche einen eher engen Schutzumfang aufweisen. Werden die gleichen Ansprüche in einer PCT Anmeldung eingereicht und keine zusätzlichen Maßnahmen in der Beschreibung vorgenommen, welche eine breitere Auslegung der ursprünglichen Offenbarung erlauben, beispielsweise um Unterkombinationen abzudecken, kann die Anmelderin letztlich nur einen unabhängigen Anspruch pro Anspruchskategorie Vorrichtung oder Verfahren heraussuchen, und kann dann Probleme hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung oder der Auslegung von Merkmalen als wesentliche Merkmale haben, womit ein Entfernen eines Anspruchsmerkmals aus einem solchen enger gefassten ursprünglichen unabhängigen Anspruch nicht möglich ist. Ein weiteres Problem mit ursprünglichen Ansprüchen im US Stil kann darin liegen, dass in USA mehrfache Rückbezüge entweder nicht möglich sind oder hohe Anspruchsgebühren zur Folge haben, was formal zu einer geringeren Anzahl von wörtlich offenbarten Unterkombinationen führt.
Was kann die Anmelderin vorsorglich tun, um nicht später in Beschränkungen hinsichtlich einer Erweiterung des Schutzumfangs zu geraten?
Da die Probleme von Beschränkungen in der Möglichkeit den Schutzumfang zu erweitern auf die ursprüngliche Offenbarung zurückzuführen sind, sollte das Problem so gut wie möglich mit der Ausarbeitung der ursprünglichen Beschreibung und der ursprünglichen Patentansprüche berücksichtigt werden. In anderen Worten, die Einschränkungen in der Erweiterung des Schutzumfangs sind für anhängige Patentanmeldungen keine Einschränkungen als solche, sondern nur vom Umfang der ursprünglichen Offenbarung bedingte Einschränkungen. Wenn eine Anmeldung auf einer internationalen PCT Anmeldung basiert, ist der Umfang der ursprünglichen Offenbarung durch den Inhalt der PCT Anmeldung bestimmt. Bei direkten Auslandsanmeldungen ist der Umfang der ursprünglichen Offenbarung durch den Inhalt dieser direkten Patentanmeldungen im Ausland bestimmt. Wird beispielsweise ein Prioritätsrecht nach der Pariser Verbandsübereinkunft beansprucht, ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die prioritätsbegründende Patentanmeldung identisch mit der späteren PCT Anmeldung oder direkten Auslandsanmeldung ist. Für die volle Entfaltung des Prioritätsrechts ist es empfehlenswert, wenn sich die Patentansprüche zwischen der prioritätsbegründenden Anmeldung und der die Priorität beanspruchenden Anmeldungen weitgehend decken. Es ist aber in einem solchen Fall möglich, nur einige der Patentansprüche für die Nachanmeldung herauszusuchen, aber alle anderen ursprünglichen Patentansprüche als “Ausführungsbeispiele“ benannt in die Beschreibung aufzunehmen. Das ermöglicht beispielsweise, mehrfache Rückbezüge in diese anspruchsartigen Formulierungen in der Beschreibung aufzunehmen, beispielsweise durch eine Formulierung wie “das Ausführung Beispiel nach einem der obigen Ausführungsbeispiele 1-3, wobei dieses Ausführungsbeispiel weiter versehen ist mit…“ usw. Diese Strategie erweitert zumindest formal die Gesamtzahl der ausdrücklich offenbarten Unterkombinationen. Arbeitet man die ursprüngliche Offenbarung der PCT Anmeldung aus, so ist es auch möglich, Formulierungen einzufügen, wonach Anspruchsmerkmale als wahlweise Merkmale beschrieben werden, d.h. als Merkmale, welche nicht unbedingt erforderlich sind, um die Erfindung auszuführen. Außerdem ist es möglich, mehr Alternativen für die Anspruchsmerkmale zu offenbaren. Das kann freilich auch schon in der zu Grunde liegenden prioritätsbegründenden Patentanmeldung geschehen. Speziell für Europäische Patentanmeldungen kann es hinsichtlich der Anforderung alle „wesentlichen Merkmale“ beanspruchen zu müssen auch hilfreich sein, mehrere von der Erfindung gelöste Probleme zu offenbaren. Die Anforderung, wesentliche Merkmale in den Anspruch aufzunehmen, wird hinsichtlich der objektiv zu lösenden Aufgabe gegenüber dem Stand der Technik bewertet. Auch wenn diese Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik vom Prüfer als“ objektive“ Aufgabe festgestellt wird, d.h. nicht unbedingt wörtlich in der Beschreibung enthalten sein muss, können mehrere wörtlich in der ursprünglichen Offenbarung beschriebene gelöste Probleme dennoch mit der Argumentation helfen. Es ist freilich schwierig vorherzusehen, wann eine Erweiterung des Schutzumfangs wünschenswert ist, beispielsweise weil technische Alternativen zu den Anspruchsmerkmalen zum Ausarbeitungszeitpunkt der ursprünglichen Offenbarung noch nicht erwogen wurden. Ungeachtet dessen sind zumindest einige der vorgenannten Maßnahmen mit vertretbarem Aufwand implementierbar, ohne die prioritätsbegründende Patentanmeldung zu beeinträchtigen.